Rundbrief April 2023
Liebe Freundinnen und Freunde von Afghanistan-Schulen,
Afghanistan, das Land mit der unglücklichsten Bevölkerung weltweit - laut Liste der „Glücklichsten Länder der Welt“. Warum ist sehr klar:
- Hunger und Not herrschen überall; es fehlt an allem, außer an diktatorischen und brutalen Anweisungen:
- Frauen dürfen nicht in Hilfsorganisationen arbeiten – außer im medizinischen Bereich
- Frauen dürfen ohne männliche Begleitung nicht auf die Straße gehen, sie dürfen keine Parks besuchen und nicht einmal in einen Hamam gehen, um sich zu waschen;
- Mädchen ist nur noch der Schulbesuch bis zur 6. Klasse erlaubt; sie dürfen nicht studieren.
- Es wurde sogar verboten, das Neujahrsfest zu feiern.
Nach der Ergreifung der Macht durch die Taliban sind die Rechte der Frauen immer weiter eingeschränkt worden, trotz Versprechungen einzelner Minister vor allem gegenüber dem Ausland. Seit dem „Machtwort“ des obersten Mullah in Kandahar, der am 22.12.2022 in ganz Afghanistan die älteren Mädchen ab Klasse 7 aus den Schulen verbannte, trauen sich die Erziehungsministerien in den verschiedenen Provinzen nicht mehr, sich über diese Vorschrift hinwegzusetzen. Auch in den Gebieten unserer Projekte gelten zurzeit diese entwürdigenden Vorschriften.
In weiten Teilen Afghanistans beginnt nach dem Neujahrsfest das neue Schuljahr, auch in Mazar-e-Sharif. Leider hat sich unsere Hoffnung nicht erfüllt, dass die de-facto Regierung eine Schulausbildung für Jungen und Mädchen bis zur 12. Klasse erlaubt. Wir hoffen natürlich weiterhin, dass sich die Provinzregierungen, wo wir arbeiten, über diese Anordnung hinwegsetzen werden, so wie in den vergangenen beiden Jahren.
Was ist noch möglich? Was können, wollen und werden wir tun?
Mazar-e-Sharif: Die lokalen Behörden haben die mündliche Zustimmung erteilt, dass die Mitarbeiterinnen unserer Projektpartner arbeiten dürfen. An unserer eigenen kleinen Schule im Ferdawsi Lager für Binnenvertriebene nahe Mazar-e-Sharif, die wir komplett mit Spenden finanzieren, lernen rund 300 Jungen und Mädchen von der 1. bis zur 5. Klasse. Sie sind sehr glücklich über die vielen Aktivitäten an dieser Schule.
Nachdem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die Suspendierung der Entwicklungszusammenarbeit aufgehoben hat, konnte unser Projektpartner OASE (Organization of Afghan Support for Education) die Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung an 15 Schulen wieder aufnehmen. Die neuerdings erforderliche offizielle Genehmigung des Bildungsministeriums in Kabul wurde erteilt. An diesen 15 Schulen werden wir jetzt neben den anderen Maßnahmen zusätzliche Englischkurse für die Schüler:innen der Klassen 4 anbieten. Dies ist verbunden mit einer Fortbildung von zwei Lehrkräften der jeweiligen Schule, die als Assistent:inen mit der gut ausgebildeten Kursleitung zusammenarbeiten. Die Schulbibliothekar:innen werden am PC fortgebildet, um die Digitalisierung der Büchereien voranzubringen.
Die Bauarbeiten an einer dieser Schulen (Ahmed Shah Masood) wurden nach der Winterpause wieder aufgenommen. Es entsteht ein doppelstöckiges Gebäude mit sechs Klassenräumen unterstützt von BINGO! Projektförderung des Landes Schleswig-Holstein.
Wir hoffen, dass das BMZ unserem neuesten Antrag zustimmen wird: Neben weiteren Maßnahmen für 5 Schulen werden wir dann im Juni 2023 mit dem Bau eines dreistöckigen Schulgebäudes für die Gawharshad Begum Mädchenschule beginnen.
In Andkhoi ist unser Verein seit den 1990r Jahren aktiv. Die örtlichen Taliban und die Vertreter des Ältestenrats wissen – teils aus eigener Erfahrung -, dass wir seit vielen Jahren sehr gute Arbeit leisten und sie wollen, dass wir unsere Aktivitäten Schritt für Schritt wieder aufnehmen und das Ausbildungszentrum und die drei Frauenzentren bald wieder öffnen. Noch überwiegt die Furcht vor den übergeordneten Ministerien. Wir werden um Vorsicht und Geduld gebeten. Inzwischen arbeiten alle Mitarbeiter:innen wieder in ihren Büros und organisieren die verschiedenen Aktivitäten.
Das Ausbildungszentrum ist seit Ende 2022 für den Unterricht geschlossen, aber Jungen und Mädchen kommen mit Erlaubnis der Taliban in kleinen Gruppen in die Büchereien, um mit ihren Lehrern oder Lehrerinnen zu sprechen, um sich Bücher auszuleihen oder die Hausaufgaben auf einem USB-Stick abzuholen. Die Lehrkräfte erstellen – wie in der Corona-Zeit – Unterrichtsvideos für die Klassen 7 bis 12. Diese werden dann abends im regionalen Kabelfernsehen gezeigt und auf YouTube/Facebook gepostet. Über WhatsApp-Gruppen halten Schüler:innen mit ihren Lehrer:innen Kontakt.
Für einige (zukünftige) Studentinnen planen wir einen Intensiv-Englisch-Kurs mit professionellen Lehrerinnen, damit sie ein Online-Studium an internationalen Universitäten aufnehmen können.
Die Teilnehmerinnen unserer drei Frauenzentren, die ebenfalls seit Ende 2022 geschlossen sind, treffen sich mit ihren Lehrerinnen in Privathäusern. In kleineren Gruppen unterrichten die Lehrerinnen ihre verschiedenen Fächer: Nähen, Sticken, Alphabetisierung und Religion. Auch der Englisch- und Computerunterricht findet zurzeit in Privathäusern statt. Dieser Kontakt untereinander ist sehr wichtig und gibt den jungen Frauen Hoffnung, dass sie ihre Zukunft nicht als ans Haus gefesselte, ungebildete Frauen verbringen müssen. Selbst die Fitness-Lehrerin hat ihr Training durchführen können. Der Unterricht in unserer Home School wurde bereits wieder aufgenommen. Und der Beginn des neuen Jahres, Nauros, wurde mit viel Hoffnung auf bessere Zeiten gefeiert!
In diesem Winter haben wir im Januar und März Lebensmittel und Decken an 250 bzw. 300 Familien verteilt. Alle Grundschulen in den vier Bezirken um die Kleinstadt Andkhoi erhielten Brennholz und – bei Bedarf - auch neue Öfen. In den kommenden Monaten werden sieben Schulen mehr als 400 neue Tische und Bänke erhalten.
Ein einfacher Tisch mit Bank für eine Dorfschule kostet € 35, während wir für die Möbel in den großen Klassenräumen in der Stadt € 70 aufbringen müssen.
Dank der Unterstützung unser Spender:innen und Sponsoren wie Misereor, BINGO! Projektförderung des Landes Schleswig-Holstein oder des BMZ können wir unsere Projekte weiterführen. Wir müssen Eigenbeteiligungen von 5 bzw. 10 % oder mehr aufbringen, für die wir Spenden benötigen. Unsere Projektpartner beschäftigen 125 Personen, die somit über ein regelmäßiges Einkommen verfügen. Hinzukommen die Beschäftigten der Bauunternehmen, die Tischler und die von uns ausgebildeten Schneiderinnen, die in unserem Auftrag für Bedürftige nähen.
Sicher können Sie sich vorstellen, was es in diesem „unglücklichsten Land“ bedeutet, wenn wir den Menschen mit unseren Projekten und mit Ihren Spenden Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben können! Die Arbeit ist schwieriger geworden, aber sie ist möglich und wichtiger denn je.
DANKE FÜR IHRE UNERMÜDLICHE HILFE!
Beste Grüße
Tanja Khorrami und Marga Flader
Spendenkonto: EthikBank IBAN DE71 8309 4495 0103 0410 50 (GENODEF1ETK)
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